Fragen eines Postkontoinhabers

von Johannes Wartenweiler 10. September 2013

Kolumne // Die Postfinance hat vor kurzem die Gebühren für die Kontoführung annähernd verdoppelt. Und kaum jemand regt sich auf. Warum eigentlich? Willkommen in der Welt der Abzocker.

Kürzlich habe ich wieder mal meine Einzahlungen gemacht. Natürlich online, natürich via Postfinance. Da ist man auf der sicheren Seite. Dann schaue ich noch die Belege durch – und stosse am Ende der Liste auf die monatlichen Gebühren für Kontoführung von fünf Franken. Kostenlos wird die Dienstleistung erst ab einem Vermögen von 7500 Franken.

Ich stutze. Die Gebühr – vor wenigen Jahren erst eingeführt – betrug kürzlich noch drei Franken. Und überhaupt: Warum erhebt Postfinance Gebühren für die Kontoführung? Sie erhält ja schon mein Geld kostenlos (oder wie soll ich den Zins von 0,05 Prozent anders bezeichnen) und kann mit der schmalen Zinsdifferenz wuchern.

Bargeld braucht es nur noch im Viehhandel

Ein Konto gehört heute zur Grundausstattung. Bargeld in grossen Beträgen ist out. Es wird nur noch bei Kauf von Autooccasionen, im Viehhandel und zur Bezahlung von Musikerinnen und Musikern verwendet. Arbeitgeber zahlen den Lohn nicht mehr aus – sie überweisen ihn auf das Postkonto.

Ich vermute, dass hier ein Quasi-Monopolist seinen Kundinnen und Kunden ungehemmt in die Tasche greift.

Johannes Wartenweiler

Der Kampf gegen die Geldwäscherei hat all die BargeldbezügerInnen in den sicheren Hafen der Kontoführung getrieben. Mit einem bisschen Paranoia könnte man zum Schluss kommen, dass das ganze Brimborium der 1980er- und 90er-Jahre um Drogen und Schwarzgeld nur ein Vorwand war, um den Leuten den Wunsch nach Bargeld auszutreiben.

Die KontobesitzerInnen geniessen die Bequemlichkeit – aber eigentlich bewegen sie sich damit hinter einem hohen Zaun, aus dem es keinen Weg nach draussen gibt. Macht sich das die Post zunutze? Schätzen wir, dass die Hälfte der vier Millionen Konten an permanenter Auszehrung leidet und ständig um den Nullpunkt schwankt. Die 7500 Franken Vermögen, die es für die gebührenfreie Kontoführung braucht, sind weit von der Alltagsrealität der Familien, der StudentInnen, der Lehrlinge, der RentnerInnen entfernt.

120 statt 72 Millionen Franken

Bislang spülte diese Population also etwa 72 Millionen Franken an Gebühreneinnahmen in die Kassen. Mit der Erhöhung von drei auf fünf Franken erhöhen sich die Einnahmen auf 120 Millionen Franken. Die kleine Manipulation, die selbst Kundinnen und Kunden mit klammen Konten nicht wirklich wehtut, bringt der Post jährliche Mehreinahmen von 48 Millionen Franken.

Die Postfinance hat die Tricks der Banker schon begriffen.

Johannes Wartenweiler

Notwendig ist das nicht, denn Postfinance hat 2012 mehr als 600 Millionen Franken Gewinn gemacht. Das ist schon ein bisschen dreist für einen Betrieb der öffentlichen Hand. Erklären und begründen mag Postfinance diese Erhöhung nicht. Das Konsumentenmagazin «Saldo» stiess im Herbst mit seinen Fragen auf professionelle kommunikative Ausweichmanöver.

Postfinance lotet die Grenzen aus

Egal was uns die Profis weismachen wollen: Ich vermute, dass hier ein Quasimonopolist seinen Kundinnen und Kunden ungehemmt in die Tasche greift. Klar könnte ich zur Konkurrenz gehen, aber da muss auch ich eine gewisse Trägheit überwinden. Postfinance weiss das und lotet die Grenzen aus. Wenn es dann zu einem Aufschrei kommt (meiner allein reicht nicht aus), schiebt sie schlechte Kommunikation vor und gibt sich professionell zerknirscht.

Postfinance hat kürzlich endlich die höheren Weihen einer echten Bank erhalten. Statt Service Public scheint jetzt maximaler Gewinn im Vordergrund zu stehen. Jetzt kann sie Gewinne machen wie die Grossen. Die Tricks der Banker hat sie schon begriffen. Willkommen in der Welt der Abzocker.

Deshalb rege ich mich auf.

PS: Wer sich gerne verwirren lassen möchte, suche auf der Webseite von Postfinance mal die Daten zum Unternehmen. Die harten Fakten verstecken sich in einem Wald von aufgeblasenen Null-Aussagen.