Bernhard Pulver und die Ideologie

von Anne-Careen Stoltze 9. März 2013

Die Gegner des Familienartikels haben gewonnen. Doch das tangiert Bern nicht besonders, denn der Kanton hat bereits seine Hausaufgaben gemacht – sagt Erziehungsdirektor Bernhard Pulver (Grüne).

Dass der Familienartikel beim Stimmvolk durchgefallen ist, findet Bernhard Pulver nicht weiter schlimm. «Der Kanton Bern ist bereits heute sehr gut unterwegs.» In punkto Tagesschulen gehöre Bern zu den führenden Kantonen. Zudem wurde über Jahre viel in Kitas investiert. «Trotzdem haben wir bei den Kitaplätzen weiter Handlungsbedarf», betont Pulver. Auch die Revision der Volksschule vor fünf Jahren habe viel für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gebracht. «Es ist von daher nicht nötig, dass der Bund uns weitere Regeln aufstellt.»

Vorbehalte gegen Tagesschulen

Die Vorbehalte gegen staatliche Kinderbetreuung zeigten sich am Abstimmungssonntag trotzdem: Während der Familienartikel in der Stadt Bern deutlich angenommen wurde, lehnte ihn die Mehrheit in den Landgemeinden ab. Eltern in der Stadt haben offenbar ein grösseres Bedürfnis nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie als Eltern auf dem Lande. «Während mehr als ein Viertel der Stadtberner Kinder eine Tagesschule besuchen, ist es auf dem Land sehr unterschiedlich», erläutert Pulver.

Mit sozialen und kulturellen Gründen liesse sich erklären, weswegen einige Eltern skeptisch gegenüber Kitas und Tagesschulen seien. In Ländern wie Frankreich oder Schweden sei die familienexterne Kinderbetreuung hingegen längst selbstverständlich.

Zuhause betreut ist nicht immer am besten

«Diese Entwicklung wird vor uns nicht Halt machen, aber bis es in der Schweiz soweit ist, werden noch einige Jahre vergehen», sagt Pulver und verweist auf die polemische Kampagne der SVP gegen die Abstimmungsvorlage. Darin warnte SVP vor der «Verstaatlichung von Kindern» — mit weinenden Kindern hinter Gittern. «Das ist absurd, von einer Verstaatlichung kann keine Rede sein», moniert Pulver. Viele Familien seien auf zwei Einkommen angewiesen. Zudem widerspreche die Vorstellung der SVP von einer idealen Betreuung daheim oftmals der Realität, weil sie die Eltern nicht leisten können. «Es gibt Buben und Mädchen, die sprechen kein Deutsch, kennen keine Regeln oder haben nie mit ihren Eltern gebastelt – das lernen sie erst im Kindergarten kennen.» Besser wäre es, wenn diese Kinder bereits die Krippe besuchen würden.

«In andern Ländern wie Frankreich ist die Ganztagesschule üblich. Bei uns sind wir jedoch weit davon entfernt», bedauert Pulver. Die dazugehörige Diskussion müsse noch geführt werden.