Wifag wird zur Autowerkstatt des Bundes

von Manuel Gnos 28. Februar 2013

In der Stadt Bern gibt es für kreative Köpfe zu wenig günstigen Gewerberaum. Das Wifag-Areal ist einer dieser Orte. Nun zieht dort die Armasuisse ein – lässt jedoch genug Platz für Experimentierfreudige.

Armierungseisen liegen herum, in der hinteren Ecke stehen Baucontainer, Arbeiter mit weissen Helmen und orangen Sicherheitswesten hantieren an Maschinen und laden Baumaterial ab. Nach monatelanger Stille ist neues Leben eingezogen in die grossen Hallen an der Bahnlinie Richtung Zürich.

Keine Getriebe für Traktoren

Seit Ende 2011 werden in den Hallen der ehemaligen Wifag an der Wylerringstrasse im Breitenrainquartier keine Druckmaschinen mehr produziert. Nach dem Zusammenbruch der Druckmaschinenfabrik kaufte die Mali International AG mit Sitz in Bern einen grossen Teil des Areals und plante, in Bern Getriebe für Traktoren und Geländemaschinen zu bauen.

Nach dem plötzlichen Tod von Mali-Gründer Markus Liebherr am 10. August 2010 wurde das Projekt aber begraben. Laut «Berner Zeitung» vom 7. Oktober 2011 war Liebherr «ziemlich alleine mit seiner Euphorie».

Kein Kommentar seitens der Mali-Gruppe

Die Bauten direkt an der Bahnlinie zwischen Hauptbahnhof und Bahnhof Wankdorf sind auch heute noch im Besitz des Mali-Konzerns – die meisten Hallen, Büros und Fertigungsräume stehen im Moment jedoch leer. Auf die Frage, was damit passieren werde, antwortet Marcel Hehli von der Mali Group per E-Mail: «Wir bedanken uns für Ihr Interesse an unserem Unternehmen und unserer Liegenschaft. Zu den weiteren Entwicklungen und Plänen der Liegenschaft möchten wir keine Auskunft geben.»

Auch bei der Von Graffenried AG, die die Liegenschaft verwaltet, winkt man ab: «Das Verwaltungsmandat wurde von Seiten der Mali International AG per Ende März 2013 aufgelöst.»

Auf dem Internetportal Immoscout24 sind im Moment 5000 Quadratmeter Bürofläche sowie 13’500 Quadratmeter Gewerbe- und Lagerfläche ausgeschrieben. In den Unterlagen der Von Graffenried AG ist die Rede von insgesamt 34’000 Quadratmetern nutzbarer Gebäudefläche. Aktuell wird davon nur ein kleiner Teil genutzt.

Vom Spritzwerk bis zur Aikido-Schule

Laut einem Firmenschild ist im Erdgeschoss zum Beispiel das Malergeschäft Mordasini mit einem Spritzwerk eingemietet. Weitere Mieter sind: Dresohn, Friap/Feuron, Letac sowie die Systema Bern. Ein kleiner Teil des Gebäudes wird – wie ein aktueller Mieter erzählt – von der Mali International AG genutzt, vermutlich für die Lehrlingsausbildung.

Auch in den oberen Geschossen, im ehemaligen Bürotrakt der Wifag, sind einzelne Räume vermietet: Einen Teil belegt ein tamilischer Kulturverein, einen weiteren die Aikido Schule Bern. Seit Oktober 2012 ist auch Matti Straub mit seinen beiden Unternehmen Changels und Kaospilots Mieter in der Liegenschaft.

Straub träumt von mehr Ausprobierfläche in Bern

Straub ist begeistert von der Räumen: «In Bern gibt es nur sehr wenige ehemalige Industrieliegenschaften, die sich frei einrichten lassen.» Er träumt von der ehemaligen Wifag als einem Ort für «coworking spaces», wie man sie von New York, Berlin oder London her kennt. Das Areal sei der perfekte Ort für ein kreatives Innovationsdorf: «Das würde das ganze Quartier beleben und Bern hätte postwendend mehr Ausprobierfläche.»

Im Moment fehlen Matti Straub jedoch die Ansprechpersonen, um seine Ideen vortragen zu können. Die Von Graffenried AG habe aufgrund des auslaufenden Mandats kein Interesse mehr, sich zu engagieren und bei der Mali-Gruppe komme er nicht an die Entscheidungsträger heran. Dabei hätte Straub zwei mögliche Investoren, die unter Umständen an einem Kauf des Geländes interessiert wären.

Die Baumaschinen sind aufgefahren

Seit Anfang Februar sind nun aber in verschiedenen der bisher ungenutzten Hallen Handwerker und Bauarbeiter mit ihren schweren Maschinen vor Ort. Tiefe Wannen werden mit Beton aufgefüllt, um ebene Flächen zu erhalten, Wände werden herausgerissen und neue aufgezogen.

Hinter diesen Arbeiten steht die Armasuisse – ein Teil der Bundesverwaltung, der zuständig ist für die Beschaffung von Armeematerial sowie für die Verwaltung der Liegenschaften des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS).

Auf Anfrage bestätigt Kaj-Gunnar Sievert, Leiter Kommunikation bei der Armasuisse, diese Information: «Seit dem 1. Januar dieses Jahres mietet die ‘Armasuisse Immobilien’ auf dem Areal der ehemaligen Wifag 100 Parkplätze sowie Räume im Umfang von 10’500 Quadratmetern.» Das entspricht etwa einem Drittel der gesamten verfügbaren Fläche auf dem Wifag-Areal.

Autogarage und Textillabor des Bundes

Die Armasuisse Immobilien wird die Gebäude nicht selber nutzen, sondern vermietet sie weiter an die Logistikbasis der Armee (LBA, früher Teil des eidgenössischen Zeughauses) sowie an die Armasuisse Einkauf und Kooperation (Armasuisse E+K). Diese beiden Betriebe müssen den bisherigen Standort zwischen Guisanplatz und Stade de Suisse verlassen, um für die Bauarbeiten des riesigen neuen Verwaltungszentrums des Bundes Platz zu machen.

Laut Kaj-Gunnar Sievert werden auf dem Wifag-Areal künftig rund 50 Angestellte im Einsatz sein. Die LBA wartet und lagert hier die Motorfahrzeuge des Bundes. Für diesen Zweck entsteht eine Werkstatt, eine Malerei, eine Spenglerei, ein Pneulager sowie einige Werkstattbüros. Daneben wird die Armasuisse E+K ein Textillabor betreiben.

Noch ist davon allerdings nichts zu sehen. Die Räume werden laut Sievert bis am 1. Juli dieses Jahres fertiggestellt und bezogen sein – vermutlich nur vorübergehend, denn Sievert geht davon aus, dass die LBA und die Armasuisse E+K zu gegebener Zeit an den Guisanplatz zurückkehren werden.

Stadtplaner: «Im Moment werden wir nicht aktiv»

Diese neue Nutzung des Wifag-Areals wirft die Frage auf, ob es sinnvoll ist, einen Teil der Zeughausbetriebe des Bundes in ein Wohnquartier zu verlagern. Der Berner Stadtplaner Mark Werren sieht darin kein Problem: «Das Gesuch wurde vom Bauinspektorat geprüft und als zonenkonform eingestuft.»

Allerdings sagt Werren auch, dass es für das Quartier von Interesse gewesen wäre, Wohnraum und Arbeitsplätze zu schaffen. Solange die Eigentümerin aber nichts in diese Richtung unternehme, schalte sich sein Amt nicht ein. «Im Moment werden wir nicht aktiv, langfristig haben wir das Gebiet jedoch auf dem Radar.»

Wifag informiert im April

Soweit zu den grossen Werkhallen auf der Nordseite der Wylerringstrasse. Auf der Südseite der Strasse stehen drei Gebäude, die nicht im Besitz der Mali-Gruppe sind, sondern von der weiterhin bestehenden Personalvorsorgestiftung Wifag/Polytype verwaltet werden.

Hansulrich Baumann von der Stiftung kann im Moment zu den Plänen für diese Grundstücke keine Angaben machen: «Wir sind mitten in der Planung und werden die Öffentlichkeit Ende April über die Zukunft des Areals informieren.»